1.5 Offene Lizenzierung
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Offene Lizenzen setzen das Urheberrecht natürlich nicht außer Kraft. Im Gegenteil: Sie schützen die Rechte von Urheber:innen und ermöglichen es ihnen gleichzeitig, Dritten die (Weiter-)Verwendung oder Anpassung/Änderung ihrer Inhalte und zu gestatten. Offene Lizenzen "formulieren rechtliche bindende Bedingungen, unter denen urheberrechtlich geschützte Werke genutzt werden können" (Klimpel 2018). Sie stellen Verträge dar, die den Vorteil haben, dass sie nicht im Rahmen einer individuellen Transaktion (Vertragsverhandlung, Vertragsschluss) festgelegt werden müssen, sondern „automatisch“ - durch die Nutzung des Werks - zustande kommen. Wer also offen lizenzierte Werke benutzt und sich dabei nicht an die von den Urheber:innen gesetzten Bedingungen hält, begeht einen Rechtsverstoß, der von den Urheber:innen des Werks geahndet werden kann. |
Als offen werden Lizenzen dann eingestuft, wenn sie die sogenannten 5V-Freiheiten zeitlich unbeschränkt erlaubt:
"1. Verwahren/Vervielfältigen – das Recht, Kopien des Inhalts anzufertigen, zu besitzen und zu kontrollieren (z.B. Download, Speicherung und Vervielfältigung)
2. Verwenden – das Recht, den Inhalt in unterschiedlichen Zusammenhängen einzusetzen (z.B. im Klassenraum, in einer Lerngruppe, auf einer Website, in einem Video)
3. Verarbeiten – das Recht, den Inhalt zu bearbeiten, anzupassen, zu verändern oder umzugestalten (z.B. einen Inhalt in eine andere Sprache zu übersetzen)
4. Vermischen – das Recht, einen Inhalt im Original oder in einer Bearbeitung mit anderen offenen Inhalten zu verbinden und aus ihnen etwas Neues zu schaffen (z.B. beim Einbauen von Bildern und Musik in ein Video)
5. Verbreiten – das Recht, Kopien eines Inhalts mit Anderen zu teilen, im Original oder in eigenen Überarbeitungen (z.B. einem Freund eine Kopie zu geben oder online zu veröffentlichen)"
Textauszug "Zur Definition von „Open“ in „Open Educational Resources“ von Jöran Muuß-Merholz, CC BY 4.0, basierend auf "Defining the “Open” in Open Content and Open Educational Resources von David Wiley, CC BY 4.0
Das Lizenzsystem von Creative Commons
Im Bildungskontext haben sich Creative Commons (kurz CC) Lizenzen etabliert, da sie als rechtssicher gelten, unentgeltlich zur Verfügung stehen und relativ einfach in der Anwendung sind.
Das CC-Lizenzsystem ist modular aufgebaut. Es beinhaltet die vier Lizenzbausteine (sog. Lizenzmodule) BY, SA, NC und ND, die unterschiedliche Bedingungen beinhalten, die Urheber:innen an die Nutzung ihrer Materialien knüpfen können. In dem folgenden interaktiven Bild erfahren Sie, was es mit den einzelnen Modulen auf sich hat. Klicken Sie auf den kleinen Marker, erscheint ein Infotext zu dem jeweiligen Lizenzmodul.
Video 2: "Was sind Creative Commons Lizenzen?" von twillo, lizenziert unter CC BY-ND 4.0
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Sowohl gemeinfreie Werke, als auch
Werke, die unter CC0 stehen, dürfen frei verwendet, bearbeitet und
veröffentlicht werden. Es gibt aus rechtlicher Sicht allerdings
Unterschiede zwischen beidem: Gemeinfreie Werke genießen grundsätzlich
keinen Schutz des Urheberrechts. Bei Werken, die unter CC0 freigegeben
sind, wird dagegen bewusst von Urheber:innenseite darauf verzichtet, die
eigenen Urheberrechte - beispielsweise vor Gericht - geltend zu machen
(vgl. Steinhau/Pachali 2017). Grund für dieser Regelung ist, dass es im
deutschen Recht nicht vorgesehen ist, dass Urheber:innen
ihre Urheberrechte einfach aufgeben und ihre Werke als gemeinfrei
markieren. Bei der CC0 Freigabe verbleiben die Urheberrechte also bei
den Urhebeber:innen, der Allgemeinheit wird jedoch die vollkommen freie
Nutzung der Werke erlaubt. Das folgende Video fasst die Unterschiede noch einmal zusammen: Video 3: "Was ist der Unterschied zwischen CC0 und Gemeinfreiheit?" von twillo, lizenziert unter CC BY-ND 4.0 |
✍️ Jetzt sind Sie dran:
Sie haben oben die unterschiedlichen Lizenzbausteine und Ihre Bedeutung
kennengelernt. Beschäftigen wir uns nun mit den von Creative Commons
vorformulierten Lizenzen. Bitte ordnen Sie den Lizenzen die jeweils passenden Lizenzbedingungen zu.
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Bitte beachten Sie, dass Sie dazu verpflichtet sind, sich an die Bedingungen der jeweiligen Lizenz zu halten, wenn Sie offen lizenzierte Materialien anderer Urheber:innen nutzen. Sind Sie selbst Urheber:in eines Werks und haben dieses CC-lizenziert, sind Sie in Ihrer eigenen, anderweitigen Nutzung des Werks weiterhin frei. Sie haben der Allgemeinheit lediglich einfache Nutzungsrechte eingeräumt. Die Bedingungen der von Ihnen gewählten Lizenz gelten für Dritte, nicht für Sie selbst. Um Verwirrung zu vermeiden und Klarheit über die Nutzungsmöglichkeiten Ihres Werks zu schaffen, sollten Sie dennoch in Erwägung ziehen, Ihr Werk auf eine Weise zu lizenzieren, die mit Ihrer beabsichtigten eigenen Nutzung übereinstimmt. |
Die folgende Abbildung gibt Ihnen einen Überblick über die Offenheit von Materialien, absteigend von der CC-Zero Freigabe bis hin zum klassischen Urheberrechtsschutz (hier gekennzeichnet durch das Copyright-Symbol "©")

Abbildung: Offenheitsskala von twillo, CC BY 4.0, basierend auf Creative Commons License Spectrum von Shaddim, CC BY 4.0
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Die Lizenzen CC0, CC BY und CC BY-SA ermöglichen die Verwendung und Bearbeitung von Inhalten zu jeglichen Zwecken und ohne weitreichende Restriktionen. Damit entsprechen sie dem pädagogischen Verständnis von OER - und der in Kapitel 1.1. aufgeführten UNESCO Definition - in besonderem Maße. Auch Materialien, die bspw. nur unverändert eingesetzt und weitergegeben werden dürfen, bieten im Bildungssetting allerdings große Vorteile gegenüber nicht-lizenzierten Materialien, die nur entlang der Schrankenregelungen des Urheberrechts verwendet werden dürfen. Aus diesem Grund fassen wir im Rahmen dieses Bildungsangebots den Begriff OER weiter und schließen alle Materialien ein, die unter einer Creative Commons (oder ähnlichen) Lizenz stehen. |
Was Sie über Non-Commercial Lizenzen wissen sollten (vgl. Klimpel 2012; Steinhau/Pachali 2018):
Lizenzen mit dem Non-Commercial-Modul (also z.B. CC BY-NC, CC BY-NC-SA und CC BY-NC-ND) erfreuen sich insbesondere an Hochschulen einiger Beliebtheit. Urheber:innen wählen die Lizenz, um auszuschließen, dass Dritte sich an Materialien bereichern, die in öffentlich finanzierten Einrichtungen und Projekten entstanden sind. Hier dient das Non-Commercial-Modul als Möglichkeit, die Kontrolle über das eigene Werk nicht komplett zu verlieren. Allerdings - und das ist vielen nicht bewusst - wird durch eine NC-Lizenzierung die Nachnutzbarkeit der Materialien - und damit auch deren Reichweite - erheblich eingeschränkt und evtl. sogar Personen von der Nutzung ausgeschlossen, die womöglich sogar als Zielgruppe fokussiert waren.
Nach Creative Commons bedeutet kommerziell zwar alles, was vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet ist, es handelt sich allerdings um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung im Einzelfall bei den Gerichten liegt. Derzeit gibt es in Deutschland keine gefestigte Rechtsprechung zum Verständnis der „kommerziellen Nutzung“ nach Creative Commons. Dies führt dazu, dass sich in der Praxis in vielen Fällen keine saubere Trennlinie zwischen kommerzieller und nicht kommerzieller Nutzung ziehen lässt, wie folgender (bisher einziger) Präzedenzfall verdeutlicht:
Das Deutschlandradio veröffentlichte auf seiner Webseite ein Foto von Flickr, das mit CC BY NC 3.0 (Unported) lizenziert war. Daraufhin verklagte der Fotograf das Deutschlandradio auf Schadensersatz wegen unerlaubter kommerzieller Nutzung des Bildes. In erster Instanz gab das Landgericht Köln dem Fotografen recht, weil die Nutzung auf der Webseite über das rein Private hinausgehe. In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht Köln anders (Urteil vom 31.10.2014, Az.: 6 U 60/14). Es argumentierte damit, dass Creative Commons Lizenzen allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) i. S. d. § 305 ff BGB sind. Da die Definition „nicht kommerziell“ unklar sei, gingen Zweifel bzw. Unklarheiten in AGB gemäß § 305c BGB zulasten des Verwenders dieser Bedingung, hier also des Fotografens. Damit sei die Nutzung auf der Webseite einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht kommerziell.
Nach der strengen Auslegung des Begriffs kommerzielle Nutzung, wie sie durch das Landgericht Köln erfolgte, gilt bereits jede Veröffentlichung im Internet als kommerziell, weil die Verwendung nicht mehr rein privat ist. Die gemäßigte Ansicht, die im Urteil des Oberlandgerichts vertreten wird, zielt dagegen darauf ab, von wem, wie, wo und wozu die Nutzung erfolgt. Demnach ist die Nutzung kommerziell, wenn damit z.B. eine Gewinnerzielungsabsicht verbunden ist, wenn sie zu Werbezwecken erfolgt, aber auch dann, wenn der Veröffentlichungsort eine kommerzielle Plattform ist, die sich durch Werbung oder Datenverarbeitung finanziert (z.B. YouTube, Instagram oder auch WhatsApp).
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Da sich Social Media Plattformen mit Werbung oder Datenverarbeitung finanzieren, müssen Materialien, die dort geteilt werden, für eine kommerzielle Nutzung freigegeben sein. |
Aufgrund dieser unklaren Rechtslage bleiben viele Personengruppen oder Einrichtungen grundsätzlich von der Nutzung NC-lizenzierter Materialien ausgeschlossen oder werden im Zweifelsfall davon absehen. Das gilt z.B. für Lehrende, die freiberuflich tätig sind oder an privaten Schulen und Hochschulen unterrichten, Einrichtungen der Weiterbildung, Vereine und andere gemeinnützige Organisationen oder Initiativen.
Doch welche Alternative zu einer NC-Lizenzierung gibt es? Wie oben beschrieben hat die Lizenz CC BY-SA das Teilen unter der gleichen Lizenz (Copyleft-Effekt) zur Bedingung. Personen, die das Werk nachnutzen, sind damit in ihrer eigenen Lizenzwahl nicht frei: Bearbeitungen des Originalwerks oder darauf aufbauende Werke dürfen ausschließlich unter CC BY-SA veröffentlicht werden. Somit ist die Nutzung des Materials für kommerzielle Projekte nicht attraktiv.✍️ Jetzt sind Sie dran:
Lesen Sie sich die Anwendungsfälle genau durch und entscheiden Sie, welche Lizenz(en) zu der jeweiligen Anforderung passen.
