1.2 Grundlagen des deutschen Urheberrechts

Für den korrekten Umgang mit OER kommen wir nicht umhin, uns auch mit urheberrechtliche Regelungen vertraut zu machen. In dieser Lektion stellen wir Ihnen vor, welche Werke in den Schutzbereich des Urheberrechts fallen und welche Rechte den Urheber:innen eines Werks zustehen.

Zum Schutzgegenstand des Urheberrechts 


Das Urheberrecht umfasst alle gesetzlichen Regelungen, die sich mit dem Schutz und der Verwertung von geistigem Eigentum befassen. Um in den Schutzbereich des Urheberrechts zu fallen, muss ein Werk die folgenden Voraussetzungen erfüllen (§ 2 Abs. 2 UrhG):

    • bei dem Werk handelt sich um eine persönliche geistige Schöpfung,
    • es ist eine konkret ausgeformte Leistung (z.B. ein Text, ein Musikstück, eine Zeichnung oder ein Film) und
Eine Schöpfungshöhe ist dann gegeben, wenn sich das Werk von Alltäglichem, bereits Bekanntem abhebt. Die Schwelle ist dabei denkbar niedrig: Auch die sog. “kleine Münze” (z.B. eine einfache Melodie oder Zeichnung) ist schutzfähig. Was es mit dem Begriff der Schöpfungshöhe genau auf sich hat, erfahren Sie in dem folgenden Video:


Video 1: Was ist Schöpfungshöhe? von twillo, lizenziert unter CC BY-ND 4.0




               

Erfüllt ein Werk die oben genannten Kriterien, tritt der Urheberrechtsschutz automatisch in Kraft. Es muss hierfür kein Copyright-Vermerk an dem Werk angebracht werden!

Im folgendem Video von Kuschel (2020) wird der Schutzgegenstand des Urheberrechts anhand von vielfältigen Beispielen dargestellt. Es beantwortet dabei auch die Frage, welche Inhalte nicht urheberrechtlich geschützt sind und somit ohne Einschränkungen verwendet werden dürfen. 

Video 2: Urheberrecht Folge 2 - Schutzgegenstand des Urheberrechts, von Prof. Dr. Linda Kuschel, Bucerius Law School, lizenziert unter CC BY-ND 4.0
 

⁉️Jetzt sind Sie dran  

Um in den Schutzbereich des Urheberrechts zu fallen, müssen Werke eine gewisse Schöpfungshöhe, also ein Mindestmaß an Originalität und Individualität erreichen. Betrachten Sie die folgenden Abbildungen genau und geben Sie eine Einschätzung ab. Wird hier die Schöpfungshöhe erreicht oder nicht? Ergo, ist die Grafik urheberrechtlich geschützt oder darf sie frei verwendet werden?



Welche Urheberrechte bestehen an einem Werk? 

Erstellt eine Person ein (schutzfähiges) Werk, ist sie dessen Urheber:in und besitzt in der Regel die Rechte an ihrer Schöpfung. Das Urheberrecht beinhaltet zum einen Urheberpersönlichkeitsrechte und zum anderen Verwertungsrechte. Was es damit auf sich hat, erklären wir in dem folgenden Video.

Video: Welche Urheberrechte bestehen an einem Werk und was hat das mit OER zu tun? von twillo, lizenziert unter CC BY-ND 4.0

Fassen wir noch einmal zusammen:  Urheberpersönlichkeitsrechte umfassen erstens das Erstveröffentlichungrecht, d.h. die Entscheidungshoheit darüber, ob und wie ein Werk veröffentlicht wird (§ 12 UrhG), zweitens das Recht auf die Anerkennung der Urheber:innenschaft, also der Anspruch auf Namensnennung (§ 13 UrhG) und drittens das Recht, eine Entstellung oder Beeinträchtigung des Werkes zu verbieten, wenn dies die eigenen geistigen oder persönlichen Interessen am Werk gefährdet (§ 14 UrhG). Diese Rechte sind eng mit der urhebenden Person verbunden, da sie ideelle Interessen am Werk schützen. Nach dem deutschen Urheberrecht kann grundsätzlich nicht auf Urheberpersönlichkeitsrechte verzichtet werden. Auch können Urheberpersönlichkeitsrechte nur bedingt an Dritte übertragen, beschränkt oder ausgeschlossen werden. 

Etwas anderes gilt für Verwertungsrechte, also Rechte, ein Werk zu verbreiten, zu vervielfältigen, öffentlich auszustellen - auch zu kommerziellen Zwecken§15-23 UrhG). Diese Rechte sind als Nutzungsrechte an andere übertragbar. Was das genau bedeutet, erfahren Sie im Absatz "Was sind Nutzungsrechte".





               

Als Inhaber:innen von Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten dürfen  Urheber:innen entscheiden, wie ihre Werke genutzt, verbreitet und wirtschaftlich verwertet werden sollen. Daraus folgt, dass grundsätzlich jede Nutzung von Werken ohne Erlaubnis von dessen Urheber:innen untersagt ist (vgl. Urheberrecht.de 2023a)

Urheberrechte bestehen auch nach dem Tod der urhebenden Person eines Werks für 70 Jahre weiter. In diesem Zeitraum können die Erb:innen der urhebenden Person über die Nutzung, Verbreitung und Verwertung des Werks entscheiden. 


Besonderheiten bei gemeinsamer Autor:innenschaft

Erstellen Sie gemeinsam mit anderen Personen ein Werk, dessen Anteile sich nicht unabhängig voneinander verwerten lassen, liegt eine sog. Miturheber:innenschaft vor (§ 8 UrhG). Diese zeichnet sich durch die Bearbeitung einer gemeinsamen Aufgabenstellung und die Verfolgung einer gemeinsamen Gesamtidee/eines gemeinsamen Ziels aus, wobei jede:r Urheber:in jeweils einen eigenen schöpferischen Anteil beiträgt. Miturheber:innen können beispielsweise zwei Softwareentwickler:innen sein, die zusammen ein Programm schreiben oder zwei Wissenschaftler:innen, die gemeinsam einen Artikel verfassen. Ausschlaggebend dafür, ob eine Miturheber:innenschaft vorliegt, ist nicht in erster Linie die Trennbarkeit der einzelnen Teile, sondern die Einheitlichkeit des Werks. Ein Beispiel hierfür liefert der folgende Fall: Haben unterschiedliche Autor:innen jeweils einzelne Szenen eines Theaterstücks verfasst, können diese Szenen zwar voneinander getrennt werden, da sie jedoch für sich genommen unselbstständig sind, handelt es sich bei dem gesamten Theaterstück um ein einheitliches Werk - es liegt also eine Miturheber:innenschaft vor (vgl. Jura Forum 2023).

Doch wer entscheidet in diesem Fall über die Verwertung des Gesamtwerks?

Die Veröffentlichung und Verwertung des Werkes steht allen Miturheber:innen zur gesamten Hand zu, d.h. alle Urheber:innen dürfen nur zusammen und einstimmig über eine Veröffentlichung, Verwertung und Änderung des Werks verfügen.  Die Miturheber:innen dürfen jedoch ihre Einwilligung zur Veröffentlichung, Verwertung oder Änderung nicht wider Treu und Glauben (d.h. ohne berechtigtes Interesse) ablehnen. Wenn durch die Verwertung des Werks Erträge erzielt werden, stehen diese den Miturheber:innen nach dem Umfang ihrer Mitwirkung an dem Werk zu. Natürlich darf die Urheber:innengemeinschaft auch individuelle Regelungen - z.B. für Entscheidungen im Urheber:innenverbund, die Art der Verwertung ihres Werks oder die Ausschüttung von deren Erträgen  - vertraglich festlegen. 

Unabhängig davon, dass es sich bei der Gruppe der Miturheber:innen um eine Gesamthandsgemeinschaft handelt, steht jeder/jedem einzelnen Miturheber:in ein eigener Anspruch auf Anerkennung der Urheber:innenschaft (Namensnennung) zu.


Besonderheiten bei verbundenen Werke

Wenn Urheber:innen Werke, die auch für sich stehen und somit selbstständig verwertet werden können, zusammenführen, um sie gemeinsam zu verwerten, liegt ein verbundenes Werk vor (§ 9 UrhG). Beispiele hierfür sind illustrierte Bücher (Verbindung von Bild und Text) oder Lieder (Verbindung aus Musik und Text). Anders als bei der Miturheber:innenschaft entsteht die Verbindung nicht automatisch, sondern muss vertraglich festgehalten werden (vgl. LLZ 2014). Inwiefern die einzelnen Urheber:innen ihre jeweiligen Werke auch abseits des verbundenen Werks verwerten dürfen, hängt von den individuellen Vereinbarungen ab, die sie miteinander treffen. 


Sonderfall Sammelwerke

Sammelwerke zählen - anders als man vielleicht vermuten könnte - nicht zu den verbundenen Werken. Zwar werden im Fall von Sammelwerken i.d.R. auch unterschiedliche Beiträge gemeinsam verwertet, allerdings stehen die einzelnen Beiträge des Sammelwerks nicht in einer inneren Beziehung zueinander. Da die Auswahl und/oder die Anordnung der einzelnen Beiträge i.d.R. eine persönliche, geistige Leistung darstellt, sind Sammelwerke vom Urheberrecht wie selbstständige Werke geschützt. Zugleich besteht der Urheberrechtsschutz der einzelnen Beiträge des Sammelwerks weiterhin. Auch bei Sammelwerken gilt, dass es von individuellen Vereinbarungen zwischen den Urheber:innen der einzelnen Beiträge und denjenigen des Sammelwerks abhängt, inwiefern die einzelnen Werke auch abseits des Sammelwerks verwertet werden dürfen.